Strahlenvernetzung von PE-Xc Kunststoffrohren – Beta-Gamma-Service GmbH &Co.KG
1. Eigenschaftsverbesserung von Kunststoffrohren durch die Strahlenvernetzung
BGS, Beta-Gamma-Service GmbH & Co. KG, ist einer der Pioniere in der industriellen Anwendung von beschleunigten Elektronen (Betastrahlen) und Gammastrahlen. Das 1981 in Wiehl bei Köln gegründete mittelständische Unternehmen hat wegweisende Strahlenvernetzungs- und Sterilisationsverfahren geprägt und mitentwickelt. Durch stetiges Wachstum und Investitionsbereitschaft ist das durchweg unabhängig und privat geführte Unternehmen heute der größte Anbieter von Bestrahlungsdienstleistungen in Deutschland.
Kunststoffrohre sind wesentliche Komponenten unserer modernen Infrastruktur und durchdringen nahezu sämtliche Lebensbereiche. Verglichen mit Materialien wie Aluminium, Beton, Gusseisen, Kupfer und Stahl zeigen sie unter anderem aufgrund ihres geringen Gewichts, der Beständigkeit gegen Korrosion und Chemikalien sowie der einfachen Handhabung durch grabenlose Verlegetechniken große Vorteile. Mit hochenergetischer, ionisierender Strahlung können Kunststoffrohre sowie auch Fittings und Muffen weiter veredelt werden: Die thermischen, chemischen und mechanischen Eigenschaften von Commodity-Kunststoffen und technischen Kunststoffen lassen sich mittels Strahlenvernetzung verbessern, so dass die Gebrauchseigenschaften der Rohre über einen sehr langen Zeitraum sichergestellt werden. Besonders wichtig ist das optimierte Zeitstandverhalten bei erhöhten Temperaturen und Innendrücken. Bei Schrumpfmuffen können durch die Strahlenvernetzung zudem Rückstelleigenschaften (Memory-Effekt) eingestellt werden.
Für die Bestrahlung werden meist Betastrahlen aus Elektronenbeschleunigern mit einer Energie von maximal 10 Mega-Elektronenvolt (MeV) verwendet. Während der Vernetzung wird das Rohr durch einen Elektronenstrahl geführt. Auf diese Weise entsteht ein homogen vernetztes Rohr, das nun die Bezeichnung ‚PE-Xc‘ erhält. Dabei steht das ‚X‘ für „crosslinking“ (= Vernetzung); ‚c‘ kennzeichnet die physikalische Methode der Strahlenvernetzung. Das Ergebnis: Das so veredelte Rohr zeigt hinsichtlich Hitzebeständigkeit, Beständigkeit gegenüber Chemikalien, Kriechverhalten und Abriebfestigkeit eine nachhaltige Verbesserung. Das Rohr kann in Folge mit einer deutlich erhöhten Lebensdauer unter anspruchsvolleren Bedingungen eingesetzt werden. Die Strahlenvernetzung ist dabei ein präzise steuerbares Verfahren. Über die Strahlendosierung kann der jeweils angestrebte Werkstoffparameter eingestellt und exakt reproduziert werden. Die Bestrahlung ist ein finaler Prozessschritt zur Inverkehrbringung der Produkte.
Eigenschaftsverbesserungen im Detail
Zur Sicherstellung der Gebrauchseigenschaften werden Rohre aus PE seit Jahrzehnten strahlenvernetzt. Von besonderer Bedeutung ist ihr sehr gutes Zeitstandverhalten bei hohen Temperaturen und Innendrücken. Prinzipiell sind durch eine Strahlenvernetzung von Kunststoffrohren zwei wesentliche Eigenschaftsverbesserungen zu erwarten:
- Thermische: Eine verbesserte Temperaturbeständigkeit und die bei erhöhten Temperaturen deutlich verbesserten mechanischen Kennwerte.
- Chemische: Die Vernetzung von Kunststoffen verringert die Löslichkeit bzw. die Quellung durch Lösungsmittel deutlich. Gleichermaßen verbessert die Strahlenvernetzung die Beständigkeit gegen aggressive Medien und Hydrolyse. Dies zeigt sich unter anderem in verbesserter Spannungsrissbeständigkeit und deutlich reduziertem Festigkeitsabfall nach Einwirkung von Lösungsmitteln.
(Grafiken zum Einfluss der Umgebungstemperatur auf den Verschleisskoeffizienten und zur Wärmeformbeständigkeit von Strahlenvernetztem PA66 finden Sie am Ende dieses Artikels).
2. Strahlenvernetzung von PE-Xc Rohren und Schrumpfprodukten
Weltweit sind bereits mehrere Millionen Kilometer strahlenvernetzte PE-Xc Rohre installiert, oft schon seit über 30 Jahren und im täglichen Einsatz unter schwierigen Bedingungen. Die Anwendungsbereiche reichen von Flächenheizungen, Industrieheizungen, Kühlwasser, Druckluft bis zur Wasserversorgung und weiteren diversen Innen- und Außenanwendungen.
Die Strahlenvernetzung wird nach der Extrusion kontinuierlich mittels schneller, energiereicher Elektronen durchgeführt. Die Vernetzung bewirkt, dass der von Rohren aus thermoplastischen Werkstoffen bekannte Steilabfall im Zeitstandinnendruckversuch, insbesondere bei hohen Temperaturen von bis zu 95 Grad, nicht auftritt. Darüber hinaus wird das Rohr durch die Vernetzung unempfindlicher gegen Spannungsrissbildung und den Einfluss von Chemikalien oder Wasser. Auch Mehrschichtverbundrohre, gewickelt auf Trommeln oder als Stangenware, können in einem Prozessschritt vernetzt werden. Die Durchstrahlbarkeit des dünnen Metallliners ist problemlos möglich. Hierdurch erhöht sich auch die Verbundfestigkeit.
Im Gegensatz zu den chemisch vernetzten PE-Xa und PE-Xb-Rohren besteht bei strahlenvernetzten PE-Xc-Rohren kein Risiko durch Rückstände aus den Vernetzungschemikalien. Zudem bietet die physikalische Strahlenvernetzung im Vergleich mit chemischen Vernetzungsverfahren eine sehr hohe Prozesssicherheit.
Auch die Schrumpftechnologie ist ein wichtiges Anwendungsgebiet strahlenvernetzter Polyolefine, um zum Beispiel mit einer Kunststoffummantelung Stahl- oder Guss-Rohrleitungen vor Korrosion zu schützen. Typische Schrumpfprodukte sind Schläuche, Folien und Formteile. In Schrumpfprodukten wird teilkristallinen Werkstoffen durch das gezielte Einbringen von Vernetzungsstellen ein Formgedächtnis zugefügt. Das Formgedächtnis entsteht dadurch, dass die Strahlenvernetzung überwiegend in den amorphen Bereichen stattfindet. Wird ein solchermaßen vernetztes Produkt in der Wärme gedehnt, kann diese Form durch Abkühlen unter die Kristallitschmelztemperatur vorübergehend eingefroren werden. Wird das Produkt beim Anwender wieder über die Kristallitschmelztemperatur hinaus erwärmt, stellt sich die Ausgangsform zum Zeitpunkt der Vernetzung wieder her (Schrumpfeffekt).
(Grafiken zur Hydrolysebeständigkeit eines Polymers in siedendem Wasser einer Zeitstandsgrafik finden Sie am Ende dieses Artikels.)
3. Strahlenvernetzte PE-Xc Rohre in der Logistikkette
Bei PE-Xc Rohren erfolgt die Strahlenvernetzung als letzter Schritt nach der Formgebung auf dem Transportweg zum Endabnehmer. Der Vorteil einer Behandlung mit ionisierenden Strahlen ist, dass die Produkte nach einem einfachen Freigabeschritt sofort verwendet oder weiterverarbeitet werden können – ohne weitere Tests oder Lager- und Wartezeit.
Die Bestrahlung wird in der Regel von spezialisierten Dienstleistern übernommen, denn der Betrieb und Aufbau entsprechender Anlagen ist komplex. So müssen Betreiber von Elektronenbeschleunigern unter anderem hohe bauliche Sicherheitsstandards erfüllen und eine umfangreiche Überwachungstechnik vorweisen. Externe Dienstleister bieten einen klaren Vorteil, der speziell in der Serienfertigung zum Tragen kommt. Ihre Abläufe sind auf Grund der Auslastung und Expertise hoch automatisiert und sorgen für die nötige Schnelligkeit und einen hohen Qualitätsstandard in der Abwicklung.
Der Durchlauf von PE-Xc Rohren durch die Strahlungseinheit in der Anlage dauert nur wenige Sekunden. Nach der Bestrahlung sind Materialprüfungen möglich, die abhängig vom Produkt und dem jeweiligen Anwendungsgebiet durchgeführt werden – danach ist das Produkt ohne Wartezeit direkt einsatzbereit. Idealerweise zeichnet der Dienstleister dabei für eine lückenlose Rückverfolgbarkeit jeden Auftrag vom Wareneingang über den Bestrahlungsprozess bis zur Auslieferung auf und dokumentiert ihn den regulatorischen Anforderungen entsprechend.
4. Nachhaltigkeit und Recycling von strahlenvernetzten PE-Xc Rohren
Im Sinne des Umweltschutzes steigen die regulatorischen Anforderungen an Kunststoffe perspektivisch. Besonders im Fokus stehen daher Sustainability und die Recyclingfähigkeit. Strahlenvernetzte PE-Xc Rohre sind extrem widerstandsfähig und somit über sehr lange Zeiträume von über 30 Jahren einsetzbar. Am Ende der Nutzungsdauer gibt es drei Aufbereitungsoptionen: die werkstoffliche (physikalische), die rohstoffliche (chemische) oder die energetische (thermische) Verwertung. Bei der werkstofflichen Verwertung entstehen aus den Sekundärrohstoffen neue Kunststoffbauteile. Ist werkstoffliches Recycling nicht sinnvoll oder möglich, können strahlenvernetzte Rohre problemlos der rohstofflichen oder energetischen Verwertung zugeführt werden.
Neue Ansätze für das werkstoffliche Recycling: In einem gemeinsamen, mehrstufigen Forschungsprojekt (Abschluss Ende 2023) von BGS Beta-Gamma-Service, Nylon Polymers, der Hochschule Aalen und TU Berlin sind neue Ansätze für das werkstoffliche Recycling von strahlenvernetztem PA 6 und PA 66 entwickelt worden. Die Untersuchungen haben bei den thermischen und mechanischen Analysen gezeigt, dass die späteren Produkteigenschaften auf dem gleichen Niveau bleiben oder sogar im Vergleich zu unbestrahlten Materialien signifikant besser werden, wenn die Materialien nochmals bestrahlt werden. Damit ist auch ein Einsparpotential von bis zu 15 Prozent der Materialkosten möglich. Nicht zuletzt reduziert das Recycling die Neuware mit einem direkten Effekt auf die CO2 -Bilanz.
Die Beta-Gamma-Service GmbH & Co. KG, kurz BGS, gehört zu den Pionieren der industriellen Anwendung mit beschleunigten Elektronen (Betastrahlen) und Gammastrahlen. 1981 in Wiehl bei Köln gegründet, hat das mittelständische Unternehmen wegweisende Verfahren der Strahlenvernetzung und -sterilisation geprägt und mitentwickelt. Durch beständiges Wachstum und Investitionsbereitschaft ist das durchgängig unabhängig in privater Hand geführte Unternehmen heute Deutschlands größter Anbieter von Bestrahlungsdienstleistungen.
An drei Standorten – Bruchsal bei Karlsruhe, Saal an der Donau sowie am Hauptsitz in Wiehl – beschäftigt das Unternehmen mehr als 200 Mitarbeitende und betreibt zwei Gamma-Anlagen sowie acht Elektronenbeschleuniger. Durch den strategischen Anlagenausbau der letzten Jahre können die Dienstleistungen heute an allen Standorten gleichermaßen angeboten werden. In Kooperation mit Hochschulen, führenden Forschungsinstituten sowie in enger Zusammenarbeit mit Kunden arbeitet BGS stetig an der Entwicklung neuer Bestrahlungsanwendungen und der Verbesserung existierender Produkte durch angewandte und experimentelle Forschung. Schwerpunkte der aktuellen Aktivitäten liegen auf der Entwicklung von neuen vernetzbaren Werkstoffen, alternativer Vernetzungshilfsmittel sowie Lösungen für die Nachhaltigkeit strahlenvernetzter Bauteile und Komponenten.
Über den Autor: Wilhelm Schneider ist seit 2021 Key Account Manager für die Strahlenvernetzung. Als Experte für Kunststoffe beschäftigt er sich seit Jahren mit thermo- und duroplastischen Kunststoffen sowie Faserkunststoffverbunden (FKV).
Kontakt: BGS Beta-Gamma-Service GmbH & Co. KG, 51674 Wiehl /DEU, www.bgs.eu.